Angesichts der aktuellen Investitionsschwäche in den meisten EU-Ländern wäre es im Interesse von Wachstum und Beschäftigung geboten, auch auf EU-Ebene die in der wirtschaftlichen Steuerung klar überlegenen marktwirtschaftlichen Prinzipien zu stärken. Aber immer wieder geschieht das Gegenteil; immer wieder wird auf industriepolitische Interventionsstrategien gesetzt, die in der Vergangenheit meist gescheitert sind und zu einer Politik zur Stärkung einer auf Wettbewerb beruhenden Sozialen Marktwirtschaft in fundamentalem Widerspruch stehen. Die Faszination des Unmittelbaren von industriepolitischen Interventionen löst offensichtlich einen unwiderstehlichen Reiz auf die Politik aus.

Der jüngst beschlossene „Europäische Fonds für strategische Investitionen“ (EFSI) ist eine solche Hinwendung zu einer interventionistischen Industriepolitik. Das sehen mehrheitlich auch EU-Kommission, EU-Ministerrat und EU-Parlament so. Denn die Verordnung zum EFSI stützt sich rechtlich nicht auf die Artikel, in denen sich die EU der Sozialen Marktwirtschaft (Vertrag über die Europäische Union, Art. 3, Abs. 3), dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), Art. 119 und 120) oder dem Wettbewerb (AEUV, Art. 101 ff.) verpflichtet fühlt, sondern auf diejenigen Artikel des Vertrages, die das Tor zu industriepolitischem Interventionismus öffnen – nämlich unter anderem auf die AEUV-Artikel 172 (Transeuropäische Netze), 173 (Industrie) und 182 (Forschung und Technologie). Insbesondere Artikel 173 (Industrie) war bei seiner Einfügung in den Maastricht-Vertrag wegen seines industriepolitischen Interventionspotenzials umstritten.

Erneut Richtung Staatsinterventionismus

Im Herbst 2014 hatte die EU-Kommission eine „Investitionsoffensive für Europa“ angeregt. Das Programm stellt zum einen darauf ab, Investitionen in Europa durch Verbesserung der Rahmenbedingungen attraktiver zu machen, was im Prinzip richtig angelegt erscheint. Hier ist allerdings bisher kaum etwas geschehen.

Im Zentrum der Initiative aber steht die Schaffung eben des EFSI. Auch hier lag der Schwerpunkt der entsprechenden Aktivitäten auf EU-Ebene in den letzten Monaten. Die EFSI-Verordnung trat bereits mit Wirkung vom 25. Juni 2015 in Kraft.

Der EFSI ist mit einer „Risikoübernahmekapazität“ oder mit einer „substanziellen Risikoabsicherung“ als „Erstausfallschutz“ oder als „Absicherung der Erstverluste“ für Investitionen mit besonderem Risiko in Höhe von 21 Milliarden Euro ausgestattet. Von diesen 21 Milliarden Euro werden 5 Milliarden Euro von der Europäischen Investitionsbank (EIB) bereitgestellt und 16 Milliarden Euro als EU-Garantien erbracht, wobei 8 Milliarden Euro als Kapitalpuffer durch Umschichtungen im EU-Haushalt abgedeckt werden.

Das Volumen des EFSI ist gemessen am EU-Bruttoinlandsprodukt oder auch am gesamten Investitionsvolumen der EU gering. Zudem sollen zusätzliche Haushaltsmittel nicht in Anspruch genommen werden. Es handelt sich nicht um Zuschüsse oder Ähnliches, sondern „lediglich“ um Garantien. Die Problematik liegt in der neuen, auf Staatsintervention angelegten industriepolitischen Orientierung, die in den 2000er Jahren misserfolgsbedingt auf dem Rückzug war, hier aber im neuen Gewand der staatlichen Risikoübernahme auflebt und als Muster für künftige wirtschaftspolitische Aktivitäten dienen könnte.

Anmaßung von Wissen

Mit den Mitteln des EFSI sollen in den Jahren 2015 bis 2017 öffentliche, vor allem aber private Investitionen in Höhe von 315 Milliarden Euro, also dem 15-fachen des EFSI, gehebelt werden,12 wobei für 240 Milliarden Euro langfristige „strategische Investitionen“ und für 75 Milliarden Euro Investitionen bei kleinen und mittleren sowie sogenannten Mid-Cap-Unternehmen (Unternehmen mit 250 bis 3.000 Beschäftigten) generiert werden sollen.

Die Größenordnung des Investitionsvolumens von 315 Milliarden Euro leitet die Kommission offensichtlich aus der Berechnung einer sogenannten „europäischen Investitionslücke“ ab. Diese beläuft sich nach Kommissionsberechnungen auf 230 bis 370 Milliarden Euro gegenüber einer sogenannten „nachhaltigen Quote“. Eine solche „Investitionslücke“ suggeriert Handlungsbedarf. Und dem will die EU-Kommision mit ihrer Investitionsoffensive offensichtlich entsprechen.

Der deutsche Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) hat sich in seinem Jahresgutachten 2014/2015 ausführlich mit der Problematik der Berechnung einer volkswirtschaftlichen Investitionslücke
auseinandergesetzt. Deutlich wird dort insbesondere die Beliebigkeit solcher Rechnungen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was die Zielgröße der Berechnungen der EU-Kommission war – das Volumen der Initiative, die Investitionslücke oder die Abstimmung beider aufeinander.

Nach Ansicht des SVR „ergibt eine sogenannte ‚Investitionslücke‘ insbesondere bei privaten Akteuren keinen Sinn. Da die gesamtwirtschaftlichen privaten Investitionen die Summe vieler einzelner Investitionsentscheidungen darstellen, muss man sich vielmehr fragen, weshalb Investitionen nicht unternommen werden. Eine geringe Investitionstätigkeit dürfte in erster Linie geringere Renditeaussichten widerspiegeln“.

Zudem gilt: Wer eine „nachhaltige Investitionsquote“ und damit eine „Investitionslücke“ kennt, weiß offenbar, wie hoch die langfristig optimale Investitionsquote ist. Er kennt die Kosten und den möglichen Ertrag der verschiedenen Projekte oder ist zumindest in der Lage, ihn halbwegs verlässlich zu berechnen. Er kann das künftige Verhalten der Marktakteure einschätzen. Er weiß um die künftige Nachfrageentwicklung oder in welche Richtung sich der technische Fortschritt entwickelt. Nicht haftende, ökonomische Technokraten mögen sich mithilfe aller möglichen Erwägungen und Berechnungen solche Entwicklungen vorstellen können. Für marktwirtschaftliche Ökonomen ist das nichts anderes als die Anmaßung von Wissen im Sinne Friedrich August von Hayeks.

Der EFSI beseitigt nicht die Ursachen einer Investitionsschwäche

Wie die EU-Kommission auf eine Hebelwirkung in Höhe des 15-fachen des Risikofonds gekommen ist, wird außer mit dem Hinweis auf Erfahrungen der Europäischen Investitionsbank (EIB) aus der Vergangenheit nicht im Einzelnen dargelegt.

Aus ökonomischer Sicht erscheint angesichts dieser eher wundersamen „Geldvermehrung“ jedoch erhebliche Skepsis angezeigt. Die negativen Erfahrungen in der Vergangenheit mit staatlichen Investitionsprogrammen zum Beispiel in Deutschland
geben hinreichend Anlass zu solchen Zweifeln. Oft genug waren diese Programme, vor allem auch unter Berücksichtigung von Opportunitätskosten, gesamtwirtschaftlich sogar schädlich. Von daher erscheint die Initiative der Kommission von technokratischen Machbarkeitsphantasien beflügelt.

Hauptgrund für das Scheitern von derartigen Investitionsprogrammen ist meist, dass sie nicht an den Ursachen ansetzen. Bezogen auf die EU ist, wie das Freiburger Centrum für europäische Politik (CEP) feststellt, bei den öffentlichen Investitionen die vielfach prekäre Haushaltslage für die Investitionsschwäche ursächlich. Bei den privaten Investitionen liegen die Gründe in einer notwendigen Korrektur der überhöhten privaten Verschuldung, in der Erosion der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Volkswirtschaften und im Zwang bei vielen Banken, ihre Kreditvergabe zurückzufahren, weil vor dem Hintergrund strengerer Regulierungen das notwendige Eigenkapital fehlt – wobei die Dinge von Land zu Land allerdings unterschiedlich ausgeprägt sind. Das CEP kommt damit zu dem Schluss: Die „Investitionsoffensive löst keines dieser Probleme“.

Industriepolitische Beliebigkeit

Der EFSI soll – ganz im Sinne einschlägiger industriepolitischer Begrifflichkeiten – „strategische Investitionen“ in sogenannten „innovationsträchtigen Schlüsselbereichen“ oder Investitionen in „Branchen und Technologien mit hohem Wachstumspotenzial“ anstoßen. Er soll „zur Beseitigung der Schwierigkeiten bei der Durchführung strategischer, Wandel bewirkender und produktiver Investitionen mit hohem wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Mehrwert“ beitragen. Was allerdings sogenannte „strategische Investitionen in innovationsträchtigen Schlüsselbereichen“, „Branchen und Technologien mit hohem Wachstumspotenzial“ oder die anderen Begrifflichkeiten beinhalten, wird aus den vorliegenden Dokumenten nicht erkennbar.

In den Informationspapieren der EU-Kommission oder der EIB wird zwar vielfältig dargelegt, dass vor allem zusätzliche „strategische“, „risikoreichere“ Investitionen in der „Realwirtschaft“ in den Bereichen Infrastruktur (zum Beispiel Breitbandnetze,
Energie und Verkehr), Bildung, Forschung, Innovation, erneuerbare Energie und Energieeffizienz gefördert werden sollen. Ein weiterer Schwerpunkt soll in der Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und den sogenannten Mid-Caps liegen.

Sieht man sich jedoch die beschlossene EU-Verordnung 2015/1017 über den EFSI an, so zeigen vor allem die dortigen Erwägungsgründe 13 bis 20, dass ein nahezu allumfassend, allgemein formulierter Katalog von vielfältigen Investitionsbereichen aufgelistet wird. Damit jedoch wird das Tor zu weitreichender industriepolitischer Beliebigkeit, Willkür, ja Missbrauch aufgestoßen.

Das zeigt auch der Bericht der schon im Herbst 2014 eingesetzten „Task Force Investitionen“, bestehend aus Mitarbeitern der EIB, Bürokraten der EU-Kommission und Mitgliedstaaten, der zu einer ersten sogenannten Identifizierung von im Rahmen der Investitionsoffensive zu subventionierenden Investitionen eingesetzt wurde. Diese Task Force hat im vergangenen Dezember ihren Bericht über sogenannte „tragfähige Projekte“ vorgelegt. Der Task Force wurden rund 2.000 Projekte mit einem Volumen von rund 1,3 Billionen Euro gemeldet, wobei 500 Milliarden Euro auf die nächsten drei Jahre entfallen sollen. Die Liste wirft kritische Fragen auf. So wurden zum Beispiel für Deutschland Projekte gemeldet, deren besondere Risikokomponenten sich nicht immer erschließen und die ohnehin – mit oder ohne EFSI – durchzuführen oder geplant sind (wie zum Beispiel Städtebauförderung, der Bau von Deichen, der Terminal 3 des Frankfurter Flughafens oder die Autobahnbrücke bei Leverkusen).

Wichtige Kriterien für die Förderung durch den EFSI sind unter anderem neben besonderer Risikobehaftung und besonderem Innovationsgehalt die „Zusätzlichkeit“. Bei vielen der durch die Task Force ermittelten Projekte dürfte dieses Kriterium – wie beim Terminal 3 des Frankfurter Flughafens, dessen Bau zwischenzeitlich begonnen wurde – nicht erfüllt sein oder muss zumindest kritisch hinterfragt werden.

Es ist beabsichtigt, aus dieser Projektliste künftig eine „Pipeline investitionswürdiger Projekte von europäischer Bedeutung ein(zu)richten. … Dabei werden kontinuierlich Projekte hinzugefügt oder gestrichen“. – wie es in dem entsprechenden Kommissionspapier heißt. Damit wird die Projektliste weit geöffnet und stellt sich dar als offenes Tor oder als eine Andockstation für Lobbyisten. Vielen von ihnen wird es leicht fallen darzulegen, dass die von ihnen vertretene Industrie zu den sogenannten „innovationsträchtigen Schlüsselbereichen“ gehört oder dass deren Investitionen besonders innovativ und risikoreich sind. In der Folge besteht trotz aller Vorkehrungen die Gefahr erheblicher Mitnahmeeffekte.

Ferner ist zu befürchten, dass insbesondere mittelständische Unternehmen, die sich nicht eine eigene Task Force für die Jagd nach Subventionen leisten können, benachteiligt werden.

Wettbewerbsverzerrungen und Fehlentscheidungen vorprogrammiert

Zur Identifizierung der künftig konkret zu subventionierenden Investitionen wurde ein unter anderem nach korporatistischen Prinzipien zusammengesetzter Investitionsausschuss bestehend unter anderem aus acht Experten eingerichtet. Dieser Investitionsausschuss soll unabhängig sein. Diese Unabhängigkeit allerdings erscheint merkwürdig ausgeprägt; denn dieser Ausschuss ist nicht etwa nur gegenüber dem Parlament, sondern einem ebenfalls eingerichteten Lenkungsrat, der aus weisungsabhängigen Mitarbeitern der EIB und weisungsgebundenen Beschäftigten der EU-Kommission besteht, rechenschaftspflichtig. Zudem hat er sich an die von der EFSI-Verordnung aufgestellten, detaillierten Investitionsrichtlinien zu halten.

Der Investitionsausschuss ist zwar dem Lenkungsrat rechenschaftspflichtig. Die Art der weitergehenden Haftung dieser Experten erschließt sich aber aus der entsprechenden Verordnung oder den Hintergrundpapieren nicht. Im Zweifel müssen diese Experten eben nicht wie Unternehmen mit eigenen Mitteln für Fehlinvestitionen geradestehen. Der entscheidende Faktor, der zu einer angemessenen Risikoeinschätzung führt, ist damit ausgeschaltet. Damit sind Fehlentscheidungen ab ovo so gut wie sicher.

Unter wirtschaftspolitischen Aspekten von zentraler Bedeutung ist: In einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist es nicht Aufgabe des Staates, einer seiner Institutionen (wie zum Beispiel dem Investitionsausschuss) oder von zentralen Planungsstellen,
über private Investitionen oder deren Subventionierung zu entscheiden. Auch nach Meinung der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute, so formulierten sie in ihrer Gemeinschaftsdiagnose vom Frühjahr 2015, maßen sich hier europäische Institutionen Wissen über die Rentabilität von Projekten an, das keine zentrale Institution haben kann. Und sie diagnostizieren, dass die Gefahr einer Fehlallokation von Kapital groß ist, sodass die Initiative die Wachstumsbedingungen eher verschlechtert als verbessert.

Hinzu kommt: Die Finanzierung privater Investitionen ist in einer Marktwirtschaft eine Aufgabe der privaten Banken, nicht des Staates. Der EFSI aber ist ein staatlicher und zudem subventionierter Fonds (integriert in die EIB, die ebenfalls staatsgarantiert und somit subventioniert ist), gegen den private Banken nicht konkurrieren können. Es findet also eine Wettbewerbsverzerrung zulasten privater Banken statt.

Der EFSI trennt das Junktim von Entscheidung und Haftung

„Hauptgedanke [der Investitionsoffensive] ist“, – so heißt es bei der Kommission – „mit öffentlichen Mitteln für eine größere Risikotragfähigkeit zu sorgen, um das Interesse von Projektträgern zu wecken und Anreize für private Investitionen in rentable Projekte zu schaffen, die sonst nicht in Angriff genommen werden würden.“ Und in den Erwägungsgründen der EFSI-Verordnung wird ausgeführt: Es sollen Geschäfte unterstützt werden, „die … ohne eine EFSI-Förderung nicht oder nicht im gleichen Ausmaß hätten durchgeführt werden können. Hierfür sollte der EFSI im Regelfall auf Vorhaben mit einem höheren Risikoprofil abzielen als Vorhaben, die durch die normalen EIB-Geschäfte gefördert werden“.

Mit diesen merkwürdigen Grundsätzen hebelt der EFSI den zentralen marktwirtschaftlichen Steuerungsmechanismus von Entscheidung und der Haftung für das Handeln aus, der neben dem Wettbewerb Kernelement einer marktwirtschaftlichen
Ordnung ist. Welche Folgen das haben kann, wurde in den letzten Jahren im Bankensektor schmerzhaft erfahren. Man hat es hier also nicht nur mit Theorie zu tun, sondern mit erlebter Praxis. Letztlich würde beim Scheitern von EFSI-Investitionsprojekten der EU-Steuerzahler in Anspruch genommen.

Die interventionistische Investitionsförderung der EU hat keine Existenzberechtigung

Das klassische Argument für industriepolitisches Handeln des Staates oder seiner Institutionen ist Marktversagen. Genau damit begründet die Kommission die Notwendigkeit ihrer Initiative. Konkret sieht sie das Marktversagen in einer zu hohen Risikoaversion oder Risikoscheu der Unternehmen und meint, diese durch die beschriebenen Garantien beheben zu können. Auf die Problematik der Möglichkeit des Staatsversagens findet man in den Dokumenten der Kommission oder der EIB keinen Hinweis.

Es stellt sich zum einen die Frage, ob sich die These der übermäßigen Risikoaversion empirisch belegen lässt. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat sich dieser Frage angenommen und kommt zu dem Ergebnis, dass – bei gegebener politischer Unsicherheit – die „europäischen Marktakteure die wirtschaftliche Lage als durchweg gut ein(schätzen) – von übertriebener Risikoaversion kann keine Rede sein“.

Wer zum anderen eine zu hohe Risikoaversion diagnostiziert, kennt offenbar die optimale Risikoneigung. Hier gilt, was schon im Zusammenhang mit der optimalen Investitionsquote gesagt wurde: Ökonomische Technokraten mögen sich solche Kenngrößen vorstellen können. Für marktwirtschaftliche Ökonomen sind sie nichts anderes als Anmaßung von Wissen.

Risikobewertung und -übernahme bei privaten Investitionen gehören in einer marktwirtschaftlichen Ordnung eben nicht zu den Aufgaben des Staates oder seiner Institutionen, die dafür nicht haften, sondern zu denen von privaten Unternehmen. Auch die These eines Informationsvorteils des Staates erscheint höchst zweifelhaft. Niemand ist besser in der Lage, Chancen und Risiken von Investitionen abzuschätzen als die direkt betroffenen Unternehmen mit ihrer meist weitreichenden Marktkenntnis. Wenn sie wegen zu großer Risiken, insbesondere wenn sie politischer Art sind, Investitionsvorhaben nicht realisieren, so ist das kein Marktversagen, sondern eine Entscheidung nach marktwirtschaftlicher Verantwortungszuweisung.

Werden der EFSI-Initiative aber das Argument der übertriebenen Risikoaversion und das Marktversagensargument entzogen, so verliert sie ihre Rechtfertigung.

Der gedankliche Ansatz zur Investitionsförderung muss deshalb vollständig anders angelegt sein. Es gibt kein besseres Verfahren für die Förderung von Wachstum, Beschäftigung und technischem Fortschritt als die Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Stärkung des Wettbewerbs in seiner dynamischen Funktion als Prozess der schöpferischen Zerstörung beziehungsweise der Entdeckung von Neuem.

Die Schaffung neuer Begehrlichkeiten

Die Kommission ruft die Mitgliedstaaten und andere Marktakteure auf, an ihrer Investitionsoffensive mitzuwirken und diese zu ergänzen. „Die Mitgliedstaaten“ – so heißt es dort – „werden die Möglichkeit haben, … in Form von Kapital zum Fonds beizutragen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Bewertung der öffentlichen Finanzen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts bei der Berechnung der Schuldenquoten eine positive oder ‚wohlwollende‘ Haltung bezüglich derartiger Kapitalbeiträge zu dem Fonds einnehmen wird.“ Im Klartext heißt dies, dass die Kommission einen weiteren Ansatzpunkt schafft, den nach seiner de-facto-Aushebelung im Jahre 2005 gerade wieder geschärften Stabilitäts- und Wachstumspakt erneut aufzuweichen.

Wer Subventionen – und sei es „nur“ in Form von Garantien – zur Verfügung stellt, weckt Begehrlichkeiten. Dafür gibt es, was den EFSI betrifft, bereits jetzt zwei Beispiele:

  • So hat am 22. Juni 2015 der Kommissionspräsident in enger Zusammenarbeit mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, dem Präsidenten der Euro-Gruppe, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments einen Bericht zur „Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion“ vorgelegt. In diesem Bericht regen die fünf Präsidenten unter anderem an, dass der EFSI auch zur Abfederung von schweren Schocks unter Berücksichtigung der Konjunkturlage eingesetzt werden soll. Dass abgesehen vom geringen Volumen des Fonds eine solche Konjunktursteuerung im Grundsatz nicht funktioniert, sondern vielmehr Ausdruck illusionärer Machbarkeitsphantasien entspringt, kann hier nicht weiter diskutiert werden. Man wird aber den Verdacht nicht los, dass hier mittels eines Schattenhaushalts die Kreditbeschränkung des EU-Haushalts unterlaufen werden soll.
  • Anlässlich einer Westbalkan-Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung, des Karl-Renner-Instituts und anderer Organisationen Ende August in Wien sprachen sich unter anderem der Erweiterungskommissar Johannes Hahn und der albanische Ministerpräsident dafür aus, den EFSI auch für die Westbalkanländer zu öffnen.

Wettbewerb ist die Grundlage für den Erfolg der EU

Nach dem EU-Vertrag ist dessen Hüterin, die Kommission – wie anfangs erwähnt – verpflichtet, auf eine Soziale Marktwirtschaft hinzuwirken beziehungsweise im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb zu handeln. Aus ordnungspolitischer Sicht handelt die Kommission mit ihrer Investitionsoffensive also vertragswidrig.

Leider ist der Vertrag in diesem Punkt wie auch an anderen Stellen widersprüchlich. So ermöglichen vor allem der Art. 6 des AEUV („Durchführung von Maßnahmen … zur Unterstützung der Industrie…“) sowie die bereits oben erwähnten Artikel des AEUV zu Transeuropäischen Netzen, Industrie oder Forschung und Technologie interventionistische Maßnahmen.

Das europäische Einigungswerk ist es wert, in jeder Hinsicht unterstützt zu werden. Zu seinen ökonomischen Erfolgsgrundlagen gehören Marktwirtschaft und Wettbewerb, nicht Industriepolitik und Interventionismus. Denn die marktwirtschaftliche Ordnung hat bei allen Defiziten und Unterschieden im Einzelnen Europa insgesamt Freiheit mit hohem Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung beschert. Der Wirtschaftspolitik ist umso mehr zu raten, diese Wirtschaftsordnung zu stärken und nicht an ihren Pfeilern zu sägen – auch wenn der Schaden, der mit dem EFSI verbunden
ist, wegen des relativ geringen Volumens eher gering sein wird.

Klaus Bünger ist Staatssekretär a.D. und Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung. Denselben Text mit Quellenbelegen finden Sie in den „Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik“, Heft 142, Dezember 2015, auf den Seiten 44 bis 54.

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