Das für Fusionsfragen zuständige Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat die Erlaubnis von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel für die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka aufgehoben. Die Erlaubnis sei nach einer vorläufigen Prüfung im Eilverfahren als „rechtswidrig“ eingestuft und „vorläufig außer Kraft gesetzt“ worden, teilte das Gericht mit.

Als Begründung wurde von den Richtern unter anderem die mögliche Befangenheit des Bundeswirtschaftsministers angeführt: Sigmar Gabriel habe an „Geheimgesprächen“ teilgenommen und die für ein transparentes, objektives und faires Verfahren unverzichtbare gleichmäßige Einbeziehung und Information aller Verfahrensbeteiligten unterlassen. Der Bundesminister habe zudem bei seiner Entscheidung zu Unrecht den Erhalt der kollektiven Arbeitnehmerrechte – z. B. durch Tarifverträge – bei Kaiser’s Tengelmann als Gemeinwohlbelang berücksichtigt. Die Ministererlaubnis könnte dem Gericht zufolge voraussichtlich auch deshalb keinen Bestand haben, weil der Bundeswirtschaftsminister den Gemeinwohlbelang der Arbeitsplatz- und Beschäftigungssicherung bei Kaiser’s Tengelmann nicht unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte bewertet habe.

Beschwerde der Konkurrenten REWE und Markant

Die sich ebenfalls um eine Übernahme von Kaiser’s Tengelmann bemühenden Mitbewerber – die REWE AG sowie die Markant AG – hatten gegen die Mitte März 2016 erteilte Ministererlaubnis Beschwerde beim OLG Düsseldorf eingelegt. Da bis zur Entscheidung über diese Beschwerde die Erlaubnis wirksam ist – eine Übernahme also stattfinden könnte –, wurde von REWE und Markant zusätzlich im Eilverfahren beantragt, die Ministererlaubnis außer Kraft zu setzen. Diesem Antrag hat das OLG entsprochen: Die Übernahme darf bis zu einer abschließenden Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren nicht vollzogen werden. Mit der abschließenden Entscheidung im Beschwerdeverfahren sei in den kommenden Monaten zu rechnen.

Eine Ministererlaubnis kann nach Paragraf 42 des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) durch den Bundesminister für Wirtschaft auf Antrag der fusionswilligen Unternehmen für einen vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss erteilt werden. Für eine Ministererlaubnis gibt es klare Voraussetzungen: Formell sind eine Untersagung des Bundeskartellamts sowie ein Antrag mindestens eines der an dem geplanten Zusammenschluss beteiligten Unternehmen Voraussetzung. Zudem muss ein öffentliches Interesse gegeben sein: entweder durch „gesamtwirtschaftliche Vorteile“ oder ein „überragendes Interesse“ der Allgemeinheit. Bei der Erlaubnis durch den Bundeswirtschaftsminister stehen dabei – im Gegensatz zum Kartellamt, das allein auf Wettbewerbsbeschränkungen achtet – interpretationsfähige Aspekte beim Für und Wider einer Fusion im Vordergrund. Eine Ministererlaubnis suspendiert letztlich Entscheidungen der Kartellbehörde durch eher vage Gemeinwohlargumente.

Ludwig Erhard: Fusionen sind nicht das Allheilmittel für die Wirtschaft

Die Ministererlaubnis wurde 1973 zusammen mit Vorschriften zur Fusionskontrolle in das novellierte GWB eingeführt. Seitdem gab es – inklusive Edeka/Kaiser’s Tengelmann – 22 Fälle: In sieben Fällen zogen fusionswillige Unternehmen ihren Antrag auf eine Ministererlaubnis zurück. Sechs Mal sagte ein Minister „Nein“. In neun Fällen schließlich wurde die Ministererlaubnis erteilt, teils unter Auflagen. Ludwig Erhard sah sich in dieser Frage 1969 in einem Interview mit der Zeitschrift „Der Volkswirt“ nicht als Bilderstürmer: „Ich sage nicht, Fusion ist des Teufels. Im Augenblick herrscht allerdings eine Stimmung vor, als ob das Allheilmittel für die Wirtschaft der Weg in die Konzentration wäre. Fusionieren ist heute modern, umso mehr als der Eindruck entstehen muss, dass die Regierung solche Bestrebungen unterstützt und fördert.“

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