Im dritten Teil unserer Artikelserie zur Asylpolitik erläutern Prof. Dr. Christoph Schmidt und Prof. Dr. Thomas Bauer vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) ihren Standpunkt. Für die beiden Wissenschaftler ist die Integration anerkannter Flüchtlinge eine gewaltige Aufgabe und sollte nicht mit falschen Erwartungen überfrachtet werden.

Deutschland steht bei der Integration der absehbar sehr großen Anzahl anerkannter Flüchtlinge vor einer gewaltigen Aufgabe. Sie erwächst aus unserer humanitären Verpflichtung zur Hilfeleistung und – anders als unsere Bemühungen um qualifizierte Arbeitsmigration – nicht aus wirtschaftlichem Kalkül. Doch in der aktuellen Flüchtlingsdebatte wird dieses Thema durch Erwartungen kurzfristig zu realisierender wirtschaftlicher Vorteile für Deutschland überfrachtet. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sieht einen Segen für die Rentenkasse. Wirtschaftsvertreter spekulieren auf Erholung beim Fachkräftemangel. Das alles weckt falsche Hoffnungen, die nur in Enttäuschung und schwindender Akzeptanz enden können.

Denn Schutzsuche um Asyl und Arbeitsmigration sind zwei grundverschiedene Dinge, die strikt voneinander getrennt werden sollten. Diese Tatsache muss nicht nur bei der Bewilligung- oder Ablehnung von Asylanträgen berücksichtigt werden, sondern auch bei den Erwartungen, die sich an die anerkannten Flüchtlinge richten. Es ist wenig realistisch davon auszugehen, dass ein Mensch unter Lebensgefahr aus seinem Land flüchtet, auf einer strapaziösen Tour das Mittelmeer überquert, durch halb Europa wandert und dann hier von heute auf morgen für den Arbeitsmarkt voll einsatzfähig ist. Wer sich jetzt vom großen Flüchtlingsstrom eine Lösung für die durch den demografischen Wandel verursachten Zukunftsprobleme Deutschlands verspricht, setzt sich und der Öffentlichkeit die rosarote Brille auf.

Derzeit wird in der Öffentlichkeit viel über die Qualifikation beziehungsweise die Produktivität der Flüchtlinge spekuliert. Über diese Qualifikationen liegen jedoch bisher keinerlei gesicherte Informationen vor. Auch wären solche Informationen, wenn sie denn vorlägen, für allgemeine Aussagen weitgehend nutzlos, da sie keine Erkenntnisse darüber vermitteln, ob genau jene auf dem deutschen Arbeitsmarkt nachgefragt werden. Sicherlich ist eine hohe Qualifikation für eine schnelle Integration hilfreich. Am Ende ist jedoch entscheidend, ob das Wissen und die Erfahrungen, welche die Flüchtlinge in ihren Heimatländern gesammelt haben, auf dem deutschen Arbeitsmarkt verwertbar sind. Und da wird ein syrischer Strafrechtsanwalt im Zweifel größere Probleme haben als ein Kfz-Mechaniker.

Zur Ehrlichkeit in der Flüchtlingsdebatte gehört es darum, sich klar zu machen: Asyl ist vor allem eine humanitäre Hilfeleistung, die jenen gewährt werden sollte, die schutzbedürftig sind. Wirtschaftliche Überlegungen müssen dabei erst einmal in den Hintergrund treten. Das bedeutet andererseits auch, dass diejenigen, die nach den Kriterien für Schutzbedürftigkeit kein Asyl erhalten, nicht aus politischer Zaghaftigkeit oder aus wirtschaftlichen Überlegungen trotzdem im Land bleiben dürfen. Wenn wir den anerkannten Flüchtlingen eine angemessene Hilfe zukommen lassen und die derzeit vorherrschende Willkommenskultur erhalten wollen, müssen klare Regeln gelten und durchgesetzt werden.

Würde der Aufenthalt eines abgelehnten Asylbewerbers aus wirtschaftlichen Gründen akzeptiert, wäre nicht nur diese Willkommenskultur gefährdet. Man würde auch Anreize setzen, die Asylregeln zur Arbeitsmigration zu missbrauchen. Nicht zuletzt die OECD hat Deutschland eine sehr liberale Zuwanderungspolitik gegenüber Fachkräften attestiert. Ausschließlich über diese bereits existierenden liberalen Regelungen sollte die Zuwanderung von Arbeitskräften erfolgen.

Das ändert nichts an der Tatsache, dass wir schnell und zielgerichtet die Integration anerkannter Flüchtlinge in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt vorantreiben müssen. Dann könnte am Ende die humanitäre Hilfe gleichzeitig eine lohnende Investition in die Zukunft Deutschlands sein. Man sollte jedoch nicht verkennen, dass diese Investition mit erheblichen Risiken verbunden ist. Ob das Geld am Ende als Hilfsleistung verbucht werden muss oder im Rückblick eine erfolgreiche Investition darstellt, liegt an uns. Was zählt, sind Tatkraft und Geduld. Dann können wir aus dieser Krise eine Chance machen. Wir haben in Deutschland bereits mehr als einmal gezeigt, dass wir mit erheblicher Zuwanderung erfolgreich umgehen können.

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