Crystal Meth ist eine der gefährlichsten Drogen: Sie zerstört den Menschen in kürzester Zeit. Vorher durchlebt er allerdings eine rauschhafte Zeit voller Glücksgefühle sowie vermeintlicher Schaffens- und Erlebniskraft. Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank wird in vielen Kommentaren als „Droge“ bezeichnet. Zu Recht?

Um die Wirtschaft anzukurbeln, pumpt die Europäische Zentralbank (EZB) unter ihrem Präsidenten Mario Draghi – über offene und verdeckte Maßnahmen – Geld in die Volkswirtschaft: In den letzten Jahren waren es bereits rund 2.000 Milliarden Euro. Geld, Zinsen und Preise sind das Nervensystem der Wirtschaft. Dieses empfindliche Geflecht steuert, was wir erwirtschaften, wie viel wir sparen, wofür wir Geld ausgeben, wie viel und wo wir investieren. Störungen des Systems haben gefährliche Fehlsteuerungen zur Folge. Dieses Nervensystem wird über die Maßnahmen der EZB mit zusätzlichem Geld überflutet. Unternehmer, Konsumenten und Politiker sollen dadurch veranlasst werden, ihre Ausgaben zu steigern. So soll ein Konsumrausch angestoßen werden, damit die Wirtschaft wieder anspringt. Diese Maßnahmen wirken wie Drogen.

In der Drogensprache gibt es verharmlosende Abkürzungen: H steht für Heroin, T steht für Crystal Meth. Crystal Meth, so heißt es, überwindet sofort die Blut-Hirn-Schranke, gelangt also sofort ins Gehirn und sorgt dort für einen Ausstoß des Glückshormons Dopamin. Das ist auch bei anderen Drogen so, beispielsweise bei Alkohol und Heroin, bei Crystal Meth aber um ein Vielfaches stärker. Den Wirkstoff des Crystal Meth kannten Soldaten der Wehrmacht unter dem Namen „Panzer-Schokolade“ und „Göring-Pillen“; damit wurden Landser, Panzerfahrer und Piloten zu längerer Leistung und brutalerem Einsatz aufgeputscht. In der Draghi-Sprache heißt die Droge QE (Quantitative Easing) und steht für Geld ohne Zinsen, für praktisch unbegrenzten Ankauf von Schuldenpapieren und damit für indirekte Finanzierung von Staatsverschuldung. Letzteres ist verboten. Aber Verbote werden von „Abhängigen“ beiseitegeschoben. Wer schnell konsumiert, wird belohnt: Konsum erzeugt ein kurzfristiges Glücksgefühl. Wer nüchtern Geld auf dem Konto hat, ist der Dumme.

Die unstillbare Gier nach mehr

T-Konsumenten durchleben einen „Flash“, sie werden euphorisch und fühlen sich selbstbewusst. So geht es auch der deutschen Wirtschaft mit QE: Arbeitsplatzrekorde werden erzielt, Exporte und Löhne steigen, Gewinne sprudeln. Wir sind die Größten, es geht uns gut – wie dem T- Konsumenten, über den ein Reporter der FAZ schreibt: „Er verändert sich, wird vitaler, frischer. Wenn er am Montag nach drei Tagen ohne Schlaf zur Arbeit geht, arbeitet er hochkonzentriert. Die Kollegen beneiden ihn um seine Energie.“ Die Welt beneidet die Deutschen um ihr Wirtschaftswunder. Wie machen die Deutschen das? Sie machen es mit QE, und zwar mit immer mehr. Das Immer-Mehr wird jedoch bald zum Problem, in der Geldpolitik wie beim Süchtigen: T führt zu „Craving“ – so heißt die unstillbare Gier, noch mehr von der Droge zu nehmen.

Auch die europäische Wirtschaft braucht immer mehr QE. Außerhalb Deutschlands springt die Wirtschaft eben nicht an. Die Kreditvergabe geht sogar zurück. Die belebende Wirkung der Droge Kredit ist längst verpufft, die Volkswirtschaften vieler Länder lassen sich nicht mehr künstlich ankurbeln: Strukturprobleme behindern den Aufschwung. Nur die Regierungen sind noch glücklich. Müssten sie Zinsen zahlen, wären Griechenland, Frankreich, Italien längst pleite. Und Wolfgang Schäubles schwarze Null im Bundeshaushalt wäre rot: blutrot. Draghi pumpt daher der Wirtschaft immer mehr QE in die Adern. Bislang hat er jeden Monat für 60 Milliarden Euro Schuldenpapiere gekauft, ab sofort sind es 80 Milliarden Euro. Die Zinsen sinken von mickrigen 0,05 Prozent auf null. Die Konsumenten in den verschuldeten Ländern verlangen immer mehr QE, wie der Drogensüchtige immer mehr T verlangt. Ohne QE läuft nichts mehr. Inzwischen müssen Geldanleger sogar Strafzinsen bezahlen. Die Droge erhält damit eine neue Wirksubstanz, die bisher unbekannt war.

Risiken und Nebenwirkungen

Gleichzeitig werden die Nebenwirkungen sichtbar: Bei Drogensüchtigen beginnt es mit Schwindel, Psychosen und Depressionen, mit Wahnvorstellungen, die oft zum Selbstmord führen. Die Nebenwirkungen in der Wirtschaft: Wer spart, wird enteignet. Die Fondsgesellschaft Union Invest beziffert die Zinsverluste für deutsche Privathaushalte wegen QE in 5 Jahren auf 224 Milliarden Euro. Die Sparer verarmen, das ist riskant für die Altersvorsorge. Es ist eine gewaltige Umverteilungsmaschine. Die Risiken für unseren Wohlstand steigen, aber das ist ähnlich wie bei Drogen: Wenn man auf Droge ist, kommen einem die Risiken lächerlich vor, so erzählen jedenfalls Betroffene.

Der Staat ist abhängig: Wer Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für 10.000 Euro Bundesschatzbriefe zur Altersvorsorge abkauft, verliert Jahr für Jahr 30 Euro. Schäuble dagegen spart bis 2022 rund 88 Milliarden Euro durch QE. Aber was macht den Reiz einer Substanz aus, die Menschen in wenigen Monaten um Jahre altern lässt? Es ist die Mischung aus Rausch und Abhängigkeit. Auch die Wirtschaft ist abhängig: Ohne QE droht der Absturz in die wirtschaftliche Depression. Entzug ist eine schmerzhafte, langwierige Angelegenheit – bei Drogen wie bei Schulden und falscher Währungspolitik. Arbeitslosigkeit, die Notwendigkeit zu sparen, Depression sind unvermeidlich. Also wird der Tag der Einsicht hinausgeschoben, die Menge QE wird wie T erhöht. Aber der Zusammenbruch folgt unweigerlich.

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